Biografie

Die Cellistin Tanja Tetzlaff gehört seit Jahrzehnten sowohl als Solistin als auch als Kammermusikerin zu den prägendsten Musikerinnen ihrer Generation. Ihr Spiel zeichnet sich insbesondere durch einen einzigartig feinen, zugleich kraftvollen und nuancierten Klang aus, der immer mit kultivierter Musikalität einhergeht. Über die klassische Musikpräsentation hinauszugehen, andere Kunstformen miteinzubeziehen und sich mit dem Zeitgeschehen auseinanderzusetzen, ist Tanja Tetzlaff ein besonderes Anliegen. Für ihren besonderen Einsatz, die Themen Naturschutz und Klimawandel in den Konzertsaal zu bringen, wurde sie von den „Orchester des Wandels“ als Botschafterin auf Lebenszeit ernannt.

Im April 2021 hat Tanja Tetzlaff als erste Stipendiatin das hochdotierte Glenn Gould Bach Fellowship der Stadt Weimar verliehen bekommen. Mit dem Preisgeld konnte sie das Filmprojekt „Suites4Nature“ realisieren, welches Bachs berühmte Cellosuiten in Beziehung zur Natur und zu Fragen des Klimawandels setzt. Der Film hatte im April 2023 Premiere in Weimar und wird in den kommenden Monaten u.a. beim Wiener Filmfestival, Bonner Beethovenfest, Kronberg Festival und in diversen Kinos gezeigt. Gekrönt wird dieses außergewöhnliche Projekt mit dem Innovationspreis für Nachhaltigkeit im Rahmen der Opus Klassik Awards im Oktober 2023. Einen weiteren Opus Klassik Award für die beste Kammermusikeinspielung 2023 erhält sie zusammen mit ihrem Bruder Christian Tetzlaff und posthum Lars Vogt für ihre Einspielung der Schubert Klaviertrios, die bei Ondine erschienen ist.

Das besondere Markenzeichen von Tanja Tetzlaff ist ihr außergewöhnlich breites Repertoire. Neben den großen Konzerten des Standard-Cellorepertoires, liegen ihr besonders die Cellokonzerte von Unsuk Chin, Witold Lutosławski, Jörg Widmann, Bernd Alois Zimmermann und das Doppelkonzert für Cello & Percussion von Rolf Wallin am Herzen. Im September 2022 brachte sie das Doppelkonzert für Cello & Percussion von Olga Neuwirth mit dem Trondheim Symphony Orchestra und dem Perkussionisten Hans Kristian Kjos Sørensen zur Uraufführung.

In der Saison 2023/24 wird Tanja Tetzlaff unter anderem mit dem Odense Symphony, Prague Radio Symphony, mit dem Staatsorchester Braunschweig und mit dem Beethovenorchester Bonn konzertieren. Kammermusikalisch wird sie als Teil des Tetzlaff Quartetts im Musikverein Wien, im Pierre-Boulez-Saal, im Bozar Brüssel und im Muziekgebouw Amsterdam zu hören sein sowie Konzerte mit ihrem Mann Florian Donderer, den Pianistinnen Kiveli Dörken und Lauma Skride sowie mit dem Signum Quartett bestreiten.

„Sie begeisterte mit großem Ton und enormer Ausdrucksdimension – fantastisch!“ – rbb Kulturrbb Kultur

Im Verlauf ihrer Karriere spielte Tanja Tetzlaff unter anderem mit dem Tonhalle-Orchester Zürich, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, dem Konzerthausorchester Berlin, mit Der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen, Philharmonia Orchestra in London und Scottish Chamber Orchestra, Orchestre de Paris, und Cincinnati Symphony Orchestra sowie Tokyo Metropolitan Symphony Orchestra und NHK Symphony Orchestra. Sie arbeitete mit namhaften Dirigenten, darunter Alan Gilbert, Daniel Harding, Philippe Herreweghe, Karina Canellakis, Heinz Holliger, Paavo Järvi, Sir Roger Norrington und Robin Ticciati.

Die Kammermusik ist eine große Leidenschaft von Tanja Tetzlaff. Sie ist Gründungsmitglied des Tetzlaff Quartetts und gastiert seit 1994 gemeinsam mit Christian Tetzlaff, Elisabeth Kufferath und Hanna Weinmeister weltweit. Weitere regelmäßige Kammermusikpartner sind der Geiger Florian Donderer, die Pianistinnen Kiveli Dörken und Lauma Skride, das Signum Saxophone Quartett und das Signum Quartett. Darüber hinaus kuratiert sie die Kammerkonzert-Reihe im Sendesaal Bremen.

Einspielungen erscheinen bei Cavi, Ars, NEOS und Ondine, darunter Konzerte von Wolfgang Rihm und Ernst Toch. Im Oktober 2019 wurde eine Solo-CD mit Bach-Suiten und Werken von Thorsten Encke veröffentlicht.

Tanja Tetzlaff studierte an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg bei Professor Bernhard Gmelin und am Mozarteum Salzburg bei Professor Heinrich Schiff. Sie spielt ein Cello von Giovanni Baptista Guadagnini aus dem Jahre 1776.

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Tanja Tetzlaff persönlich

Portraitfoto Tanja Tetzlaff
Portraitfoto ©Giorgia Bertazzi

…der größte Genuss beim Musizieren?

„Das ist für mich das Eintauchen in Gefühle, Geschichten, Abenteuer, die zwar im Kopf eines anderen Menschen entstanden sind, der in einem komplett anderen Leben, oftmals in einer anderen Zeit und Welt, zuhause war — und dann zu erleben, wie ich durch die Musik meine eigenen Erlebnisse und Gefühle verschmelzen lassen kann mit denen des Komponisten oder der “Menschheit” allgemein.
Meine Hoffnung und eben auch manchmal größte Erfüllung ist, dass ich es schaffe, durch mein Spiel auch den Zuhörern ein ähnliches Erlebnis zu ermöglichen, dass jemand im Publikum für einen Moment Empathie mit der Menschheit und „Aufgewühlt – Werden“ zulässt, die Musik an sich heranlässt.“

…mein musikalischer Lebensweg…?

„Direkt nach meinem Studium habe ich eine halbe Stelle als Solocellistin bei der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen angeboten bekommen – gleichzeitig hatte ich aber auch schon ein paar schöne Preise bei Wettbewerben gewonnen und angefangen solistisch und mit Kammermusik zu konzertieren.
In der klassischen Musikszene gibt es immer noch ein weit verbreitetes Schubladendenken  – es ist für manche Veranstalter schwer vorstellbar, dass jemand, der mit Begeisterung Orchester spielt, auch ein „vollwertiger Solist“ sein kann.
Da es mir allerdings irgendwann tatsächlich unmöglich wurde , alle Sparten gleichermaßen energetisch weiter zu verfolgen , habe ich vor zwei Jahren meine verbliebene kleine Viertelstelle bei der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen gekündigt , um mich seitdem mit ganzer Kraft und Zeit meinen eigenen solistischen und kammermusikalischen Projekten zu widmen.

Ich schätze besonders die Vielseitigkeit meines beruflichen Weges, die Möglichkeiten als Solistin und Kammermusikerin (und das mit meinen absoluten Traummusikern und Freunden und auch immer wieder in neu zu entdeckenden Zusammenhängen), tolle Konzertsäle, tolle Städte und Länder mit anderen Menschen zu bereisen.
Durch meinen Beruf kann ich meine Seefahrer-Gene voll ausleben – unter meinen Vorfahren waren einige Kapitäne und als ich erwachsen wurde, konnte ich es kaum ertragen, wenn ich mal länger als fünf Tage an einem Ort verbringen musste.

…besondere musikalische Erinnerungen, an die ich gerne denke: 

  • angefangen in meiner Kindheit am Sonntagmorgen, Bach Kantaten im Radio beim Familienfrühstück…
  • die erste Kassette, die mein Bruder mir aufgenommen hat mit Brahms vierter Sinfonie und Schuberts „Unvollendete“, die die Hintergrundmusik für mein Playmobil-Spiel war
  • viele eigene gespielte Konzerte, oftmals grade diejenigen, die kurz nach schmerzlichen persönlichen und weltgeschichtlichen Geschehnissen stattfanden:

Beispiel: ein Kammermusikabend in der Toppan Hall in Tokyo, wo Julien Prégardien einen erschütternd aufwühlenden „Schwanengesang“ – Zyklus von Schubert sang und wir anschließend Schuberts Streichquintett spielten – die Verbindung von Sprache und Musik so extrem fühlbar.

…über die Beziehung zu Ihrem Instrument?

„Mein Guadagnini Cello begleitet mich ja jetzt schon sehr lang auf allen Reisen und in allen Konzerten, das ist natürlich kein Stück Holz mehr oder ein Handwerkszeug, sondern ich liebe es und fühle mich auf sehr spezielle Art zuhause damit. 

Im Spaß nenne ich es Giovanni!

Mein stiller Begleiter im Nebensitz im Flugzeug – und auf der Bühne, wenn alles gut ist, ist es ein Teil von mir oder eine Verlängerung meiner Seele.“

Ein paar Gedanken zu unserer Verantwortung als KünstlerInnen in der heutigen Zeit :

„Der Elfenbeinturm , in dem wir uns als ausübende Musiker der Klassikszene zumeist befinden , bereitet mir schon lange ein ungutes Gefühl. Mehr und mehr drängt es mich , den Problemen der Welt und der Menschheit nicht mehr zu entfliehen , sondern sich ihnen zu stellen , darauf aufmerksam zu machen , dass eben nicht alles wunderbar in Ordnung ist , sondern dass die Menschheit sich an einem Abgrund befindet , den wir nicht länger verdrängen dürfen und auch nicht können , da er uns alle unmittelbar betrifft – die Welt verändert sich und der Glaube , dass Umweltzerstörung und Klimawandel etwas ist , was vielleicht merkbar ist , aber eben „nur weit weg“ Konsequenzen hat , muss jetzt ein Ende haben .
So sehr ich meinen Beruf liebe und auch die damit verbundene Versenkung in eine Traum- und Scheinwelt , so sehr wird mir immer bewusster , dass ich später, wenn ich am Ende meines Lebens stehe , nicht zurückschauen möchte und meinen Kindern und nachkommenden Generationen erklären müssen , dass ich leider zur Rettung der realen Welt nichts beigetragen habe , sondern nur mit meiner „ hohen Kunst“ beschäftigt war. Und gerade die klassische Musik mit ihrer Verbundenheit und Verwurzelung in der Natur und im zutiefst Menschlichem , mit all ihrer Verletzlichkeit und Intimität hat eben das Potenzial , anzurühren , aufzurütteln und zu mahnen — uns alle zu mehr Achtsamkeit und Behutsamkeit im Umgang mit der Umwelt und den Menschen aufzurufen .
Als reisende Musikerin möchte ich deswegen einerseits ein Vorbild sein dafür , verantwortungsvoll umzugehen mit dem Dilemma, dass jede Art der Mobilität natürlich schädlich ist , wir sie aber kaum einschränken können , wenn wir unseren Beruf weiterhin ausüben wollen : Es gilt aber , jeweils bewusst die am wenigsten zerstörerische Weise zu reisen auszuwählen – und mein Bestreben ist , jede Tournee weitestgehend zu neutralisieren , wobei ich mit verschiedenen Umweltschutzorganisationen daran arbeite , meinen CO2 Fußabdruck zu minimieren . Andererseits sehe ich meine Aufgabe darin , das Publikum mit einzubeziehen, aufzurütteln und aufzufordern , die Schönheit der Musik und der Natur gleichermaßen wahrzunehmen und beides als etwas Schützenswertes , Wunderbares , Zerbrechliches zu bewahren und zu behüten.“